Das Orakel vom Berge by Dick Philip K

Autor:Dick, Philip K. [Dick, Philip K.]
Die sprache: deu
Format: epub
ISBN: 978-3-10-402723-4
Herausgeber: Fischer E-Books
veröffentlicht: 2014-06-25T04:00:00+00:00

Neun

Nach zweiwöchiger, nahezu unablässiger Arbeit hatte Edfrank Juwelierkunst die erste Charge fertig. Sämtliche Stücke lagen auf zwei mit schwarzem Samt überzogenen Brettern, die in einem viereckigen japanischen Weidenkorb Platz gefunden hatten. Außerdem hatten Ed McCarthy und Frank Frink Geschäftskarten angefertigt. Zunächst hatten sie ihren Namen aus Radiergummi geschnitzt und ihn rot gedruckt, dann hatten sie die Karten mit einer Spielzeugrotationspresse fertiggestellt. Die Wirkung – sie hatten hochwertige Weihnachtskarten aus schwerem Papier benutzt – war umwerfend.

Sie waren in jeder Hinsicht professionell vorgegangen. Als sie den Schmuck, die Geschäftskarten und die Vorlagebretter betrachteten, konnten sie nichts Amateurhaftes daran finden. Weshalb auch?, dachte Frank. Wir sind schließlich beide Profis: nicht unbedingt auf dem Gebiet der Schmuckherstellung, aber im Allgemeinen.

Auf den Vorlagebrettern lag eine hübsche Auswahl. Armreifen aus Messing, Kupfer, Bronze und sogar aus heiß geschmiedetem schwarzem Eisen. Anhänger, überwiegend aus Messing, mit kleinen silbernen Verzierungen. Silberne Ohrringe. Broschen aus Silber und Messing. Das Silber hatte sie eine schöne Stange Geld gekostet; selbst für das Lötmetall hatten sie einiges blechen müssen. Sie hatten sogar ein paar Halbedelsteine für die Broschen gekauft: Barockperlen, Jade, ein paar Splitter Feueropal. Wenn alles gutging, wollten sie es mit Gold und vielleicht ein paar kleinen Diamanten versuchen.

Das Gold würde ihnen richtig Geld einbringen. Sie hatten sich bereits nach Bezugsquellen für Schrottgold umgesehen, gewonnen aus eingeschmolzenen alten Schmuckstücken ohne künstlerischen Wert – das war weitaus billiger, als neues Gold zu kaufen. Gleichwohl waren enorme Ausgaben damit verbunden. Trotzdem würde eine goldene Brosche mehr einbringen als vierzig Broschen aus Messing. Im Kleinverkauf ließ sich für gut gestaltete und gearbeitete Goldbroschen so gut wie jeder Preis erzielen – vorausgesetzt, ihre Ware war überhaupt verkäuflich.

Bislang hatten sie noch nichts angeboten. Sie hatten zunächst ihre wichtigsten technischen Probleme gelöst. Sie hatten eine Werkbank mit Motoren, Bohr- und Flexmaschine, Schleifgeräten und Polierscheiben ausgerüstet. Sie besaßen mittlerweile einen kompletten Werkzeugsatz, angefangen von harten Drahtbürsten, Messingpinseln und Cratex-Schleifern bis zu feineren Polierwerkzeugen aus Baumwolle, Leinen und Leder, die sich mit verschiedenen Stoffen wie Korund, Bimsstein oder dem feinsten Polierrot beschichten ließen. Und natürlich hatten sie einen Schweißbrenner, Gasflaschen, Ventile, Schläuche, Düsen und Masken inklusive.

Und hervorragendes Juwelierwerkzeug obendrein. Zangen aus Deutschland und Frankreich, Mikrometer, Diamantbohrer, Sägen, Pinzetten, Lötapparaturen aus dritter Hand, Schraubenzieher, Poliertücher, eine Drehbank, handgeschmiedete winzige Hämmer … jede Menge Präzisionswerkzeug. Dazu kamen noch Lötmetall unterschiedlicher Stärke, Metallfolien, Nadelhalter, Verbindungsteile, Ohrringclips. Weit über die Hälfte der zweitausend Dollar war dafür draufgegangen; auf ihrem Geschäftskonto waren jetzt nur noch zweihundertfünfzig Dollar. Aber nun war es offiziell; sie hatten sogar einen Gewerbeschein. Jetzt brauchten sie bloß noch zu verkaufen.

Kein Einzelhändler könnte diese Stücke kritischer mustern, als wir es getan haben, dachte Frink, während er den Schmuck betrachtete. Die ausgewählten Stücke sahen wirklich gut aus, jedes einzelne hatten sie sorgfältig auf schadhafte Lötstellen, raue oder scharfe Kanten und Farbfehler untersucht – ihre Qualitätskontrolle war tadellos. Die kleinste stumpfe Stelle, der kleinste Kratzer hatte ihnen ausgereicht, das betreffende Schmuckstück in der Werkstatt zu lassen; ein unbemerkter schwarzer Fleck auf einer silbernen Halskette – und wir sind erledigt.

Auf ihrer Liste stand Robert Childans Laden an erster Stelle.

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